Martha-Mosse-Haus (Haus 5)

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Das Martha-Mosse-Haus (Haus 5) wird als Unterkunftsgebäude genutzt.

Das Martha-Mosse-Haus (Haus 5) wird als Unterkunftsgebäude genutzt.

Martha Mosse

Erste Polizeirätin Berlins

Die Vita der 1884 geborenen Martha Mosse ist facettenreich und für ihre Zeit ungewöhnlich. Die Tochter aus gutem Hause studierte trotz fehlenden Abiturs Jura und schloss ihr Studium mit Promotion ab. Die erste Polizeirätin (1926) Berlins schied 1933 aus rassischen Gründen aus dieser Laufbahn aus. Fortan wirkte sie als Leiterin der Wohnungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Hier geriet Dr. Martha Mosse aufgrund der erzwungenen Zusammenarbeit mit der Gestapo in Konflikt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten warnte sie jedoch die von Deportation Betroffenen.

Als Älteste von insgesamt fünf Geschwistern in Berlin geboren, wuchs sie zunächst in Japan (1886 – 1890) auf. Die Familie Mosse war eine angesehene – ursprünglich aus der Lausitz stammende – Familie. Ihr Vater Albert, Bruder des Verleger Rudolf Mosse, war Jurist und zunächst Kreisrichter in Spandau und später Amtsrichter in Berlin. Er folgte 1886 einem Ruf nach Japan und war dort an der Ausarbeitung der Verfassung und Fragen der inneren Verwaltung beteiligt. Diese väterlichen Beziehungen nach Japan sollten Martha Mosse später das Leben retten.

Von Japan zog die Familie nach Königsberg, wo Martha Mosse die Arnheimsche höhere Töchterschule besuchte, die sie 1902 ohne Abitur verließ. Einige Jahre später siedelte die Familie nach Berlin um. Hier studierte Martha Mosse Gesang und nahm musiktheoretischen Unterricht. Als Gasthörerin besuchte sie ab 1916 juristische Vorlesungen in Heidelberg und Berlin. In Heidelberg wurde ihr – auch ohne Abitur – gestattet, mit einer Dissertation zum „Erziehungsanspruch des Kindes“ zu beginnen und zum Dr. jur. zu promovieren.

Mit einer Sondergenehmigung konnte Martha Mosse 1920 und 1921 für sechs Monate als Rechtreferendar am Amtsgericht Berlin-Schöneberg hospitieren und war im Anschluss als juristische Hilfskraft im Preußischen Wohlfahrtsministerium (untergebracht im heutigen Bundesratsgebäude) beschäftigt. Ihre Berufung in das Berliner Polizeipräsidium erfolgte 1922. In ihren Erinnerungen schreibt sie,

„anfängliches Misstrauen und Zurückhaltung als Frau und Außenseiter änderte sich, nachdem ich 1926 zum Polizeirat (dem ersten weiblichen in Preußen) und zur staatsmäßigen Beamtin ernannt worden war“.

Zunächst war sie in der Theaterabteilung tätig, wo sie für die Überwachung der Einhaltung der Kinderschutz-Bestimmungen bei Theateraufführungen, Filmaufnahmen und sonstigen öffentlichen Darbietungen verantwortlich war. Den Kinderschutz nahm sie sehr ernst und wehrte sich gegen den Einsatz von unter Zweijährigen in der Filmindustrie. In ihren Erinnerungen zitiert sie das Gedicht einer Filmleitung:

„Fräulein Mosse sagt, mir ist das schnuppe, nehmt doch eine Puppe!“

Nach der Machtergreifung der Nazis wurde Martha Mosse als Jüdin aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtengesetzes am 18. Februar 1933 vom Dienst suspendiert und zum 31.12.1933 ohne Bezüge entlassen. Hauptberuflich arbeitete sie nun bei der Jüdischen Gemeinde. Als Leiterin der Wohnungsberatungsstelle war sie direkt den Anweisungen der Gestapo unterstellt.

Zunächst ging es um die Umquartierung jüdischer Familien in so genannte „Judenhäuser“, später auch um die Zusammenstellungen von Deportationen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten warnte sie Betroffene und ermöglichte ihnen dadurch die Flucht.

Im Jahre 1943 sollte Martha Mosse selbst nach Auschwitz deportiert werden. Nun kam ihr der Ruf ihres Vaters in Japan zugute. Aufgrund der Intervention der japanischen Botschaft kam sie als „Prominente“ in das KZ Theresienstadt.

Im Sommer 1945 konnte sie zu ihrer Lebensgefährtin nach Berlin zurückkehren. Nach dem Krieg arbeitete Martha Mosse zunächst als Justizrätin im Dienst des Strafvollzugsamtes, doch aufgrund einer Weisung der russischen Besatzungsmacht musste sie diese Tätigkeit wieder aufgeben. Für das Office of Chief of Council arbeitete sie in den Jahren 1946/47 Akten im Rahmen des Nürnberger Prozesses auf. Jedoch verlor sie diese Stellen, weil sie als „Mitarbeiterin der Gestapo“ aufgrund ihrer Tätigkeit in der Wohnungsberatungsstelle, denunziert wurde.

Über diese Tätigkeit und insbesondere Martha Mosses Rolle in der Wohnungsberatungsstelle ist in den Nachkriegsjahren viel diskutiert worden. Die alliierten Behörden stellten fest, dass Martha Mosse als Opfer des Faschismus angesehen werden muss und entlasteten sie. In einem Ehrengerichtsverfahren der Jüdischen Gemeinde stellte sie sich nochmals den Anschuldigungen. Sie erreichte dort ihre Rehabilitierung auf der Basis von Schreiben verschiedener Betroffener, die nach dem Krieg aussagten, dass Martha Mosse ihre Kenntnisse über bevorstehende Umsiedlungen genutzt hatte, um Betroffene zu warnen.

Nach ihrer Beschäftigung als Beraterin und Übersetzerin für die amerikanische Militärregierung in Vorbereitung auf die Nürnberger Prozesse kehrte Martha Mosse auch als Justiziarin wieder zur Berliner Polizei zurück. 1953 ging sie mit 69 Jahren in den Ruhestand und erreichte das hohe Alter von 93 Jahren. Das Gebäude 5, das modernste Unterbringungsgebäude der Fachhochschule für Finanzen trägt seit 01.07.2016 ihren Namen.

Martha Mosse

Erste Polizeirätin Berlins

Die Vita der 1884 geborenen Martha Mosse ist facettenreich und für ihre Zeit ungewöhnlich. Die Tochter aus gutem Hause studierte trotz fehlenden Abiturs Jura und schloss ihr Studium mit Promotion ab. Die erste Polizeirätin (1926) Berlins schied 1933 aus rassischen Gründen aus dieser Laufbahn aus. Fortan wirkte sie als Leiterin der Wohnungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Hier geriet Dr. Martha Mosse aufgrund der erzwungenen Zusammenarbeit mit der Gestapo in Konflikt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten warnte sie jedoch die von Deportation Betroffenen.

Als Älteste von insgesamt fünf Geschwistern in Berlin geboren, wuchs sie zunächst in Japan (1886 – 1890) auf. Die Familie Mosse war eine angesehene – ursprünglich aus der Lausitz stammende – Familie. Ihr Vater Albert, Bruder des Verleger Rudolf Mosse, war Jurist und zunächst Kreisrichter in Spandau und später Amtsrichter in Berlin. Er folgte 1886 einem Ruf nach Japan und war dort an der Ausarbeitung der Verfassung und Fragen der inneren Verwaltung beteiligt. Diese väterlichen Beziehungen nach Japan sollten Martha Mosse später das Leben retten.

Von Japan zog die Familie nach Königsberg, wo Martha Mosse die Arnheimsche höhere Töchterschule besuchte, die sie 1902 ohne Abitur verließ. Einige Jahre später siedelte die Familie nach Berlin um. Hier studierte Martha Mosse Gesang und nahm musiktheoretischen Unterricht. Als Gasthörerin besuchte sie ab 1916 juristische Vorlesungen in Heidelberg und Berlin. In Heidelberg wurde ihr – auch ohne Abitur – gestattet, mit einer Dissertation zum „Erziehungsanspruch des Kindes“ zu beginnen und zum Dr. jur. zu promovieren.

Mit einer Sondergenehmigung konnte Martha Mosse 1920 und 1921 für sechs Monate als Rechtreferendar am Amtsgericht Berlin-Schöneberg hospitieren und war im Anschluss als juristische Hilfskraft im Preußischen Wohlfahrtsministerium (untergebracht im heutigen Bundesratsgebäude) beschäftigt. Ihre Berufung in das Berliner Polizeipräsidium erfolgte 1922. In ihren Erinnerungen schreibt sie,

„anfängliches Misstrauen und Zurückhaltung als Frau und Außenseiter änderte sich, nachdem ich 1926 zum Polizeirat (dem ersten weiblichen in Preußen) und zur staatsmäßigen Beamtin ernannt worden war“.

Zunächst war sie in der Theaterabteilung tätig, wo sie für die Überwachung der Einhaltung der Kinderschutz-Bestimmungen bei Theateraufführungen, Filmaufnahmen und sonstigen öffentlichen Darbietungen verantwortlich war. Den Kinderschutz nahm sie sehr ernst und wehrte sich gegen den Einsatz von unter Zweijährigen in der Filmindustrie. In ihren Erinnerungen zitiert sie das Gedicht einer Filmleitung:

„Fräulein Mosse sagt, mir ist das schnuppe, nehmt doch eine Puppe!“

Nach der Machtergreifung der Nazis wurde Martha Mosse als Jüdin aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtengesetzes am 18. Februar 1933 vom Dienst suspendiert und zum 31.12.1933 ohne Bezüge entlassen. Hauptberuflich arbeitete sie nun bei der Jüdischen Gemeinde. Als Leiterin der Wohnungsberatungsstelle war sie direkt den Anweisungen der Gestapo unterstellt.

Zunächst ging es um die Umquartierung jüdischer Familien in so genannte „Judenhäuser“, später auch um die Zusammenstellungen von Deportationen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten warnte sie Betroffene und ermöglichte ihnen dadurch die Flucht.

Im Jahre 1943 sollte Martha Mosse selbst nach Auschwitz deportiert werden. Nun kam ihr der Ruf ihres Vaters in Japan zugute. Aufgrund der Intervention der japanischen Botschaft kam sie als „Prominente“ in das KZ Theresienstadt.

Im Sommer 1945 konnte sie zu ihrer Lebensgefährtin nach Berlin zurückkehren. Nach dem Krieg arbeitete Martha Mosse zunächst als Justizrätin im Dienst des Strafvollzugsamtes, doch aufgrund einer Weisung der russischen Besatzungsmacht musste sie diese Tätigkeit wieder aufgeben. Für das Office of Chief of Council arbeitete sie in den Jahren 1946/47 Akten im Rahmen des Nürnberger Prozesses auf. Jedoch verlor sie diese Stellen, weil sie als „Mitarbeiterin der Gestapo“ aufgrund ihrer Tätigkeit in der Wohnungsberatungsstelle, denunziert wurde.

Über diese Tätigkeit und insbesondere Martha Mosses Rolle in der Wohnungsberatungsstelle ist in den Nachkriegsjahren viel diskutiert worden. Die alliierten Behörden stellten fest, dass Martha Mosse als Opfer des Faschismus angesehen werden muss und entlasteten sie. In einem Ehrengerichtsverfahren der Jüdischen Gemeinde stellte sie sich nochmals den Anschuldigungen. Sie erreichte dort ihre Rehabilitierung auf der Basis von Schreiben verschiedener Betroffener, die nach dem Krieg aussagten, dass Martha Mosse ihre Kenntnisse über bevorstehende Umsiedlungen genutzt hatte, um Betroffene zu warnen.

Nach ihrer Beschäftigung als Beraterin und Übersetzerin für die amerikanische Militärregierung in Vorbereitung auf die Nürnberger Prozesse kehrte Martha Mosse auch als Justiziarin wieder zur Berliner Polizei zurück. 1953 ging sie mit 69 Jahren in den Ruhestand und erreichte das hohe Alter von 93 Jahren. Das Gebäude 5, das modernste Unterbringungsgebäude der Fachhochschule für Finanzen trägt seit 01.07.2016 ihren Namen.