Lothar-Kreyssig-Haus (SG)

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    Seminargebäude

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  • Bild: Das Bild zeigt den Lageplan mit dem Seminargebäude.

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    Treppenhaus im Seminargebäude

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Im Lothar-Kreyssig-Haus (Seminargebäude) finden vorrangig Veranstaltungen des Fortbildungszentrums der Finanzverwaltung, der Landesakademie für öffentliche Verwaltung und der Justizakademimie statt. Zum Teil werden die Räume auch von der Fachhochschule für Finanzen und der Landesfinanzschule mitgenutzt.

 

Im Lothar-Kreyssig-Haus (Seminargebäude) finden vorrangig Veranstaltungen des Fortbildungszentrums der Finanzverwaltung, der Landesakademie für öffentliche Verwaltung und der Justizakademimie statt. Zum Teil werden die Räume auch von der Fachhochschule für Finanzen und der Landesfinanzschule mitgenutzt.

 

Lothar Kreyssig - Der standhafte Richter

Jurist mit Zivilcourage

Lothar Kreyssig war ein Jurist mit Zivilcourage. Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an, erstattete Anzeige wegen Mordes und brachte das Wesen des Rechtsstaats in dem Satz „Ein Führerwort schafft kein Recht“ auf den Punkt. Aufgrund von Zwangsbeurlaubung und Zwangspensionierung aus dem Amt entfernt, widmete sich der evangelische Christ mehr und mehr der kirchlichen Arbeit. Seine Bestrebungen einer Aussöhnung mit Israel nach Kriegsende gipfelten in der Gründung der „Aktion Sühnezeichen“, womit er ein bedeutsames bis in die Gegenwart wirksames Erbe hinterlässt.

Lothar Kreyssig 1898 im sächsischen Flöha bei Chemnitz geboren, war der Sohn eines Getreidegroßhändlers. Nach seinem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg studierte er Rechtswissenschaft in Leipzig und promovierte 1923 in dieser Fachrichtung. Unbestritten war er ein hervorragender Jurist, der sich nicht auf die Anwendung von „Paragrafen“ beschränkte, sondern das Recht auch als Schutzrecht für die Betroffenen verstand. Während der Zeit des NS-Regimes hielt er den Machthabern mit Offenheit und Konsequenz christliche und moralische Werte entgegen. Dass er von ihnen unbehelligt blieb, bezeichnete Lothar Kreyssig selbst als „reines Wunder“.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verhielt sich Lothar Kreyssig zunächst angepasst und trat der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei. Darüber hinaus wurde er Mitglied im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ). Jedoch weigerte er sich bereits 1933 – mit Verweis auf seine richterliche Unabhängigkeit – der NSDAP beizutreten.

Als evangelischer Christ war es für Kreyssig selbstverständlich, der Bekennenden Kirche beizutreten. Diese Oppositionsbewegung setzte sich seit 1934 gegen die Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche zur Wehr. Bereits ein Jahr nach der Gründung wurde er zum Präses der Synode der Bekennenden Kirche in Sachsen gewählt.

Auf seinen eigenen Wunsch hin ließ er sich 1937 als Richter an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel versetzen. In dem in der Nähe gelegenen Ort Hohenferchesar erwarb Kreyssig einen Gutshof, den sogenannten Bruderhof, auf dem er biologisch-dynamische Landwirtschaft als Nebenerwerbslandwirt betrieb. Hauptberuflich arbeitete er weiterhin als Richter für Vormunds-, Register- und Nachlassfragen.

Kreyssig hatte bereits in Sachsen wiederholt folgenlose Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit seinen kirchlichen Aktivitäten überstanden. Sein Engagement setzte er auch in Brandenburg fort, unter anderem indem er Flugblätter der Bekennenden Kirche verteilte.

Mit Beginn des Krieges 1939 wurde Kreyssig Soldat, bald jedoch angesichts seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit freigestellt. So arbeitete er nach wie vor am Gericht. Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an. Als Vormundschaftsrichter hatte Kreyssig bemerkt, dass sich Nachrichten über den Tod seiner behinderten Mündel häuften. In einem Schreiben vom 8. Juli 1940 meldete er seinen Verdacht – dass die Kranken keines natürlichen Todes sterben würden – dem Reichsjustizminister Franz Gürtner. In diesem Schreiben wandte sich ebenfalls gegen die Entrechtung der Häftlinge in Konzentrationslagern:

„Recht ist, was dem Volke nützt. Im Namen dieser furchtbaren, von allen Hütern des Rechtes in Deutschland noch immer unwidersprochenen Lehre sind ganze Gebiete des Gemeinschaftslebens vom Rechte ausgenommen, vollkommen z. B. die Konzentrationslager, vollkommen nun auch die Heil- und Pflegeanstalten.“

Daraufhin wurde ihm angedeutet, dass die Euthanasie-Aktion von Hitler selbst veranlasst worden sei und in Verantwortung der Kanzlei des Führers ausgeführt werde. Trotzdem untersagte Kreyssig den Anstalten, in denen seine Mündel untergebracht waren, diese ohne seine Zustimmung zu verlegen. Am 13. November 1940 wurde Kreyssig vom Reichsjustizminister vorgeladen. Gürtner legte ihm den Euthanasie-Erlass Hitlers vom 1. September 1939 vor, mit dem dieser die Mordaktion ausgelöst hatte, und beharrte darauf, dass dieser die alleinige „Rechtsgrundlage“ darstelle. Mit den Worten „Ein Führerwort schafft kein Recht“ machte Kreyssig deutlich, dass er dieses nicht anerkenne. Der logische Schluss des Reichsjustizministers

„wenn er den Willen des Führers als Rechtsquelle, als Rechtschöpfung nicht anerkenne“,

dann könne er nicht länger Richter sein.

Als Lothar Kreyssig erfuhr, dass das Disziplinarverfahren mit dem Ziel seiner Entlassung intensiviert wurde, beantragte er selbst am 10. Dezember 1940 seine Beurlaubung als Amtsrichter. Die Beurlaubung wurde ihm gewährt. Glücklicherweise scheiterten die Versuche der Gestapo, ihn ins Konzentrationslager zu bringen. Zwei Jahre später, im März 1942, wurde Kreyssig in den Ruhestand versetzt. Kreyssig widmete sich anschließend verstärkt der ökologischen Landwirtschaft und wirkte als Laienpastor. Auf seinem Hof versteckte er bis zum Kriegsende zwei jüdische Frauen.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde Kreyssig in der Sowjetischen Besatzungszone zwar als Widerstandskämpfer gewürdigt. Als vermeintlicher Junker verlor er jedoch Teile seines Grundbesitzes. Angesichts der nicht hinreichenden Rechtsstaatlichkeit der unmittelbar nach dem Krieg arbeitenden Justiz entschied sich Kreyssig gegen die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit. Fortan arbeitete er in verschiedenen Funktionen in der Evangelischen Kirche. Am 30. April 1958 gründete Lothar Kreyssig als fast 60-Jähriger die "Aktion Sühnezeichen". Die Idee: Junge Deutsche sollten zusammen mit Ausländern in Aufbau- und Versöhnungslagern arbeiten. Vor allem in den durch Deutschland überfallenen Ländern, in ehemaligen Konzentrationslagern und in Israel. Die gemeinsame praktische Arbeit sollte ein Zeichen der Versöhnung setzen. Aus der anfangs unmöglich erscheinenden Idee wurde ein Dienst, der bis heute als "Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste" lebendig ist und das Leben vieler Nachgeborenen prägt.

Der Bau der Berliner Mauer schnitt Kreyssig von den internationalen Aktivitäten seiner Organisation ab, so dass er 1962 die Leitung abgab und sich dem Aufbau der Aktion Sühnezeichen in der DDR widmete. Einer der ersten Einsätze dieser Initiative war die Enttrümmerung der zerstörten Magdeburger Kirchengebäude Sankt Petri und Wallonerkirche.

Im Jahr 1971 siedelte Kreyssig mit seiner Frau nach West-Berlin über. Seit 1977 lebte er in einem Altersheim in Bergisch Gladbach, wo er 1986 verstarb. Das Seminargebäude der Fachhochschule für Finanzen trägt seit 01.07.2016 seinen Namen.

Lothar Kreyssig - Der standhafte Richter

Jurist mit Zivilcourage

Lothar Kreyssig war ein Jurist mit Zivilcourage. Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an, erstattete Anzeige wegen Mordes und brachte das Wesen des Rechtsstaats in dem Satz „Ein Führerwort schafft kein Recht“ auf den Punkt. Aufgrund von Zwangsbeurlaubung und Zwangspensionierung aus dem Amt entfernt, widmete sich der evangelische Christ mehr und mehr der kirchlichen Arbeit. Seine Bestrebungen einer Aussöhnung mit Israel nach Kriegsende gipfelten in der Gründung der „Aktion Sühnezeichen“, womit er ein bedeutsames bis in die Gegenwart wirksames Erbe hinterlässt.

Lothar Kreyssig 1898 im sächsischen Flöha bei Chemnitz geboren, war der Sohn eines Getreidegroßhändlers. Nach seinem Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg studierte er Rechtswissenschaft in Leipzig und promovierte 1923 in dieser Fachrichtung. Unbestritten war er ein hervorragender Jurist, der sich nicht auf die Anwendung von „Paragrafen“ beschränkte, sondern das Recht auch als Schutzrecht für die Betroffenen verstand. Während der Zeit des NS-Regimes hielt er den Machthabern mit Offenheit und Konsequenz christliche und moralische Werte entgegen. Dass er von ihnen unbehelligt blieb, bezeichnete Lothar Kreyssig selbst als „reines Wunder“.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verhielt sich Lothar Kreyssig zunächst angepasst und trat der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei. Darüber hinaus wurde er Mitglied im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ). Jedoch weigerte er sich bereits 1933 – mit Verweis auf seine richterliche Unabhängigkeit – der NSDAP beizutreten.

Als evangelischer Christ war es für Kreyssig selbstverständlich, der Bekennenden Kirche beizutreten. Diese Oppositionsbewegung setzte sich seit 1934 gegen die Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche zur Wehr. Bereits ein Jahr nach der Gründung wurde er zum Präses der Synode der Bekennenden Kirche in Sachsen gewählt.

Auf seinen eigenen Wunsch hin ließ er sich 1937 als Richter an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel versetzen. In dem in der Nähe gelegenen Ort Hohenferchesar erwarb Kreyssig einen Gutshof, den sogenannten Bruderhof, auf dem er biologisch-dynamische Landwirtschaft als Nebenerwerbslandwirt betrieb. Hauptberuflich arbeitete er weiterhin als Richter für Vormunds-, Register- und Nachlassfragen.

Kreyssig hatte bereits in Sachsen wiederholt folgenlose Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit seinen kirchlichen Aktivitäten überstanden. Sein Engagement setzte er auch in Brandenburg fort, unter anderem indem er Flugblätter der Bekennenden Kirche verteilte.

Mit Beginn des Krieges 1939 wurde Kreyssig Soldat, bald jedoch angesichts seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit freigestellt. So arbeitete er nach wie vor am Gericht. Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an. Als Vormundschaftsrichter hatte Kreyssig bemerkt, dass sich Nachrichten über den Tod seiner behinderten Mündel häuften. In einem Schreiben vom 8. Juli 1940 meldete er seinen Verdacht – dass die Kranken keines natürlichen Todes sterben würden – dem Reichsjustizminister Franz Gürtner. In diesem Schreiben wandte sich ebenfalls gegen die Entrechtung der Häftlinge in Konzentrationslagern:

„Recht ist, was dem Volke nützt. Im Namen dieser furchtbaren, von allen Hütern des Rechtes in Deutschland noch immer unwidersprochenen Lehre sind ganze Gebiete des Gemeinschaftslebens vom Rechte ausgenommen, vollkommen z. B. die Konzentrationslager, vollkommen nun auch die Heil- und Pflegeanstalten.“

Daraufhin wurde ihm angedeutet, dass die Euthanasie-Aktion von Hitler selbst veranlasst worden sei und in Verantwortung der Kanzlei des Führers ausgeführt werde. Trotzdem untersagte Kreyssig den Anstalten, in denen seine Mündel untergebracht waren, diese ohne seine Zustimmung zu verlegen. Am 13. November 1940 wurde Kreyssig vom Reichsjustizminister vorgeladen. Gürtner legte ihm den Euthanasie-Erlass Hitlers vom 1. September 1939 vor, mit dem dieser die Mordaktion ausgelöst hatte, und beharrte darauf, dass dieser die alleinige „Rechtsgrundlage“ darstelle. Mit den Worten „Ein Führerwort schafft kein Recht“ machte Kreyssig deutlich, dass er dieses nicht anerkenne. Der logische Schluss des Reichsjustizministers

„wenn er den Willen des Führers als Rechtsquelle, als Rechtschöpfung nicht anerkenne“,

dann könne er nicht länger Richter sein.

Als Lothar Kreyssig erfuhr, dass das Disziplinarverfahren mit dem Ziel seiner Entlassung intensiviert wurde, beantragte er selbst am 10. Dezember 1940 seine Beurlaubung als Amtsrichter. Die Beurlaubung wurde ihm gewährt. Glücklicherweise scheiterten die Versuche der Gestapo, ihn ins Konzentrationslager zu bringen. Zwei Jahre später, im März 1942, wurde Kreyssig in den Ruhestand versetzt. Kreyssig widmete sich anschließend verstärkt der ökologischen Landwirtschaft und wirkte als Laienpastor. Auf seinem Hof versteckte er bis zum Kriegsende zwei jüdische Frauen.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde Kreyssig in der Sowjetischen Besatzungszone zwar als Widerstandskämpfer gewürdigt. Als vermeintlicher Junker verlor er jedoch Teile seines Grundbesitzes. Angesichts der nicht hinreichenden Rechtsstaatlichkeit der unmittelbar nach dem Krieg arbeitenden Justiz entschied sich Kreyssig gegen die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit. Fortan arbeitete er in verschiedenen Funktionen in der Evangelischen Kirche. Am 30. April 1958 gründete Lothar Kreyssig als fast 60-Jähriger die "Aktion Sühnezeichen". Die Idee: Junge Deutsche sollten zusammen mit Ausländern in Aufbau- und Versöhnungslagern arbeiten. Vor allem in den durch Deutschland überfallenen Ländern, in ehemaligen Konzentrationslagern und in Israel. Die gemeinsame praktische Arbeit sollte ein Zeichen der Versöhnung setzen. Aus der anfangs unmöglich erscheinenden Idee wurde ein Dienst, der bis heute als "Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste" lebendig ist und das Leben vieler Nachgeborenen prägt.

Der Bau der Berliner Mauer schnitt Kreyssig von den internationalen Aktivitäten seiner Organisation ab, so dass er 1962 die Leitung abgab und sich dem Aufbau der Aktion Sühnezeichen in der DDR widmete. Einer der ersten Einsätze dieser Initiative war die Enttrümmerung der zerstörten Magdeburger Kirchengebäude Sankt Petri und Wallonerkirche.

Im Jahr 1971 siedelte Kreyssig mit seiner Frau nach West-Berlin über. Seit 1977 lebte er in einem Altersheim in Bergisch Gladbach, wo er 1986 verstarb. Das Seminargebäude der Fachhochschule für Finanzen trägt seit 01.07.2016 seinen Namen.